Forum im Foyer: Veränderungen in der heimischen Fauna
Joachim Jenrich illustrierte am 13. Oktober 2016 in einem informativen Vortrag im Foyer der Ulstertalschule anhand zahlreicher Beispiele aus der Tierwelt die Veränderung der heimischen Fauna in den letzten Jahrzehnten. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung:
Die Tierwelt eines bestimmten Gebiets ist kein statisches Gebilde. Aufgrund von Klimaeffekten, Invasion, Arealausweitung oder Arealschwund einzelner Arten sowie durch künstliche Einbringung oder Entnahme durch den Menschen unterliegt sie einer ständigen Veränderung.
Die meisten Tierarten oder ihre ökologische Nische werden heute direkt oder indirekt von den Tätigkeiten des Menschen beeinflusst. Während wirtschaftlich interessante oder nützliche Arten gefördert werden, werden andere verfolgt oder nicht beachtet. So gibt es Gewinner und Verlierer, deren Rolle sich je nach Einstellung des Menschen auch wieder ändern kann. Gerade in der aktuellen Phase der Wiederausbreitung von größeren Raubsäugern wie Luchs und Wolf ergeben sich Konflikte mit der modernen Zivilisation. Kulturfolger und Opportunisten mit rascher Vermehrung und erfolgreicher Anpassung an die menschliche Umgestaltung der Ökosysteme erobern Städte und Dörfer mit ihrem besonderen Mikroklima und Nahrungsangebot.
Der Verlust der Biodiversität mit einhergehender Naturzerstörung und Überbeanspruchung, Globalisierung und Klimaerwärmung im Zeitalter des Menschen schreitet immer schneller voran. Für viele Arten gibt es kaum noch räumliche Ausweich- oder zeitliche Anpassungsmöglichkeiten, sie sterben aus. Und das nicht nur in fernen Ländern, sondern auch vor der eigenen Haustüre. Durch die Überwindung natürlicher Besiedlungs- bzw. Ausbreitungsschranken wie Gebirgskämme, Meere oder Wasserscheiden mithilfe des Menschen (blinde Passagiere, Zoohandel) gelangen immer schneller und immer mehr Arten unterschiedlicher Faunengebiete zueinander, meist mit unbedachten, fatalen Folgen für die bisherige Lebensgemeinschaft. Der amerikanische Mink hat den Europäischen Nerz völlig verdrängt, die Bisamratte aus Amerika hat eine unbesetzte Nische vorgefunden, schnell den ganzen europäischen Kontinent erobert und viele Flussmuschelvorkommen auf dem Gewissen. Bereits vorhandene Arten haben oft eine zu geringe Konkurrenzkraft gegenüber invasiven Neubürgern.
An die kühlen Mittelgebirgsverhältnisse angepasste Arten haben zunehmend ein Existenzproblem durch eine bereits deutlich messbare Klimaerwärmung und durch Verdrängung durch andere, in ihre Biotope einwandernde Arten aus tieferen Lagen. Durch die Verschiebung der Klimazonen in der Höhe und in der geographischen Breite kann sich kurzfristig die Artenvielfalt in einem Gebiet erhöhen, vermutlich aber nur anfangs und zeitlich begrenzt. Auch in der Rhön wird es perspektivisch zu einer Vereinheitlichung und Entdifferenzierung von Faunengebieten oder zu einer räumlich verschobenen Differenzierung kommen. An Neozoen wie dem Waschbär erleben wir, wie neue Arten in Systeme eingreifen, Nahrungsnetze beeinflussen, Konkurrenz erzeugen, auch für den Menschen gefährliche Parasiten einschleppen und Lebensräume mitgestalten.
Flugfähige Arten können schneller reagieren als wenig mobile, hoch reproduktive schneller als solche mit geringer Vermehrung, Arten mit enger ökologischer Nische viel weniger als solche mit einer weiten ökologischen Amplitude. Die mit der nacheiszeitlichen Ackerbaukultur eingewanderten Steppenarten können immer weniger in der modernen Agrarsteppe überleben.
Welche Arten sich zukünftig bei uns neu etablieren und welche dafür aussterben, lässt sich nur schwer prognostizieren. Neuansiedlungen sind zunächst raumzeitliche Zufallstreffer, je nach aktueller Ausbreitungschance und Milieu. Viele Ansiedlungsversuche scheitern, oft auch ohne unsere Kenntnis. Klimaeffekte wie Starkregen, Überschwemmungen, nasskalte Phasen oder lang anhaltende Sommertrockenheit können eine Ansiedlung hemmen oder rückgängig machen. Eine unüberschaubare Zahl von unmittelbar den Menschen schädigenden Organismen wie Bakterien, Viren oder Rickettsien entwickeln und verbreiten sich weiter und lösen immer öfter schwer behandelbare Seuchen aus. Neuartige letale Erkrankungen einzelner Baumarten entmischen unsere Wälder und machen sie instabiler. An sie angepasste Spezialisten sterben aus (z.B. der Ulmen-Zipfelfalter). Mit der Umwandlung der Fichtenforste in standortgerechte Laubmischwälder verabschiedet sich ein Teil der mittlerweile an diese Wälder angepassten, ehemals fremden Fauna, aus der Rhön. Arten mit weiten Zugwegen, die die Rhön nur als Sommerquartier nutzen, geraten in fernen Ländern oder auf dem Weg dorthin immer öfter in Bedrängnis. So kann sinnvollen Biotoppflege- oder Erhaltungsmaßnahmen in ihren Lebensräumen in der Rhön der Erfolg versagt bleiben. (Text Jenrich)